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Liebe Frau Huhn,

Sie kennen mich nicht und wahrscheinlich werden wir uns auch niemals kennenlernen. Aber damit Sie wissen, wer Ihnen schreibt: Ich heiße Willi und bin vor Kurzem in die Wohnung von Annemarie gezogen. Nicht, dass ich Annemarie kennen würde – ihr Name stand noch auf dem Briefkasten und Klingelschild. Naja, im Briefkasten fand ich einige Briefe. Also einige mehr. Ich dachte, die möchte die Frau Annemarie bestimmt haben. Wunderte mich zwar schon, warum sie offensichtlich keinen Nachsendeantrag gestellt hat, denn dann wären die Briefe wohl kaum hier angekommen. Die Hausverwaltung konnte mir allerdings keine neue Adresse nennen. Kann man wohl nix machen, dachte ich und wollte die Briefe gerade in die Tonne schmeißen. Aber da fielen mir zwischen all den seriell adressierten Briefen einige Umschläge auf. Mit Hand geschrieben und ein Umschlag aus Munkenpapier? Wer macht denn heute noch so etwas? Also wenn sich jemand so viel Mühe gibt und das mehrmals, kann es sich ja nur um die sehr veraltete Form der Brieffreundschaft handeln. Kenne ich noch aus meiner Jugend. Da haben das die jungen Hühner auch gemacht. Mit geblümten Briefpapier oder mit Stickern beklebt. Haben wir Jungs natürlich nie verstanden. Und wenn ich ehrlich bin, verstehe ich es bis heute nicht: Warum Briefe schreiben, wenn es Emails gibt?
Nun gut, das geht mich ja eigentlich auch nichts an. Ich dachte nur, vielleicht möchte der Absender – oder in diesem Fall die Absenderin – gerne ihre Briefe zurückbekommen, wenn sie denn schon nicht den Adressaten erreichen konnten.
Also, damit habe ich hier meinen Auftrag erledigt und hoffe, dass das in Ihrem Sinne war. Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen,

Willi

 

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