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Lieber Willi,

vielen Dank für die Aufmerksamkeit zum ersten Advent (Willi hat fast alles allein verputzt, der kleine Nimmersatt). Ich habe ein bisschen schlechtes Gewissen, weil ich Dir so gar nichts adventliches geschickt hatte. Deshalb hole ich das heute nach. Ich hoffe, es gefällt Dir!
Heute ist der 2. Advent und es sind nun schon einige Wochen vergangen seit Deinem Besuch und – ja – ich gebe zu, Du fehlst hier. Willi fragt ständig nach seinem Kumpel und er kann es noch nicht so ganz verstehen, warum Du nicht einfach für immer herkommst. Das hat er wirklich gefragt und er fand die Idee auch ganz großartig und schlüssig. Für einen kleinen Wurm sind die Dinge eben etwas unkomplizierter. Für ihn ist die Sache klar: Wir haben uns hier gut verstanden, es war eine schöne Zeit und folglich liegt es doch auf der Hand, dass Du wieder herkommst. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass das nicht so einfach ist, aber für ihn ist und bleibt die Sache ganz einfach. Willi ist aber nicht der einzige, dem Du fehlst. Ja, ich muss zugeben, dass Du die Ergänzung zu unserem kleinen Team bist, die hier immer gefehlt hat…

Nun sitzen Willi und ich hier bei Tee und Kerzen zum zweiten Advent und ich frage mich, was es mit dem Ankommen auf sich hat. Ist es nicht das Ziel, irgendwo anzukommen, wo man sich wohl fühlt? Sei es die Umgebung, der Beruf, der Partner. Oder geht es darum, zu uns selbst zu finden, damit wir überhaupt irgendwo ankommen können? Wenn das so wäre, wäre es egal, wo man lebt, man kann sich überall zu Hause fühlen, denn man hat zu sich gefunden und überträgt diesen inneren Zustand auf die äußere Umgebung. Oder ist es vielleicht so, dass das Innere und Äußere immer Gegenspieler sind? Das eine das andere bedingt? Das würde bedeuten, dass der Ort, an dem ich wohne, mein inneres Ankommen beeinflusst: Fühle ich mich dort nicht wohl, bin ich nicht angekommen. Oder: Fühle ich mich dort nicht wohl, weil mein Inneres zerrissen ist und ich innerlich nicht angekommen bin? Am Ende ist es wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Wahrscheinlich wollen uns all die Magazine und Ratgeber glauben lassen, dass wir nur zu uns selbst finden müssen und – schwupp – läuft es in der Partnerschaft, im Beruf und wir sind die glücklichsten Hühner, wo gibt. Ich glaube nicht, dass das so geht. Es spielt doch immer auch mit hinein, ob ich einen Job mache, der mich ausfüllt, ob ich mich dort wohl fühle, wo ich wohne und ob ich mich mit meinem Partner verstehe. Wer, wenn er nicht gerade der Dalai Lama ist, läuft denn immer und in jeder Gelegenheit in sich ruhend durch die Weltgeschichte und begegnet jeder Widrigkeit mit einem Lächeln? Eben: Nur der Dalai Lama. Und selbst bei dem bin ich mir nicht so sicher, ob er sich nicht doch mal heimlich auf’m Klo ärgert oder abends im Bett ins Kopfkissen schlägt. Ich glaube, in Wirklichkeit suchen wir ständig nach Etwas. Wir glauben, wenn wir dies oder jenes haben oder erreichen, sind wir ein Stück näher am Angekommen sein. Dann suchen wir uns das nächste. Und im Großen und Ganzen ist das auch gut, schließlich würden wir sonst aufhören, produktiv zu sein. Die Huhnheit würde sich nicht weiterentwickeln und der Stillstand würde über kurz oder lang wahrscheinlich zu unserem Aussterben führen. Also ist das Nicht-Ankommen eine Überlebensstrategie. Allerdings glaube ich auch, dass ein Stück des Ankommens, ein Grundgefühl des Angekommen-Seins genauso zu unserer Überlebensstrategie gehören sollte. Ansonsten jage ich ständig irgendetwas hinterher und irgendwann kommt der Burn-Out. Ich für mich kann sagen, dass ich in der Grundtendenz angekommen bin. Hier ist meine Heimat. Das zu finden hat lange gedauert, wie Du weißt.
Ich wünsche mir für Dich, dass Du es auch irgendwann schaffst, anzukommen. Zumindest so weit, dass Du nicht mehr wie ein unzufriedener, verwirrter Hahn durchs Leben gehen musst. Ich wünsche mir, dass Du in einem Moment der Ruhe in Dich gehen kannst und Du es sehen wirst, was Dein inneres zu Hause ist. Der Weg dorthin ist dann nicht mehr schwer, wenn Du es erst gefunden hast. Das wünsche ich mir für Dich zu Weinachten…

Dein Huhn.

Senf dazu geben